Dienstag, 6. Dezember 2011

Was? – Ein Maurer verdient so viel wie ein Anlageberater?


»Was? – Ein gewöhnlicher Maurer soll genau so viel verdienen wie ein Anlageberater? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Sie wurden wohl als Kind zu heiß gebadet.«
Mit diesen Worten und heftig mit den Armen gestikulierend trat mir ein wütender Mann entgegen. Sein Gesicht zeigte deutlich Zornesröte.
»Ob ich als Kind zu heiß gebadet wurde, weiß ich nicht, die Zeit liegt bereits zu weit zurück. Ob es mein Ernst ist, dass ein Maurer genau so viel verdienen soll wie ein Anlageberater? Das wäre nicht mein Ernst gewesen, wenn ich es denn gesagt hätte. Ich habe es aber nicht gesagt, da wir Anlageberater nicht mehr brauchen.«
»Also gut, tauschen wir den Anlageberater gegen einen Diplomkaufmann aus. Sollen die Einkommen eines Maurers und eines Diplomkaufmanns wirklich gleich hoch sein?«
»Gegenfrage: Warum sollten sie eigentlich nicht gleich sein, wenn sie in der gleichen Stufe sind?«
»Das ist doch unmöglich! Der eine hat drei Jahre lang die Ausbildung zum Maurer durchlaufen, und der Diplomkaufmann hat ein schwieriges Studium hinter sich. – Das sind doch wohl deutliche Unterschiede in der Ausbildung.«
»Wenn dem Diplomkaufmann das Studium zu schwer vorkam, hat er vielleicht das falsche Fach gewählt.«
»Sie weichen jetzt aus. – Auf der einen Seite haben wir einen gewöhnlichen Handwerker und auf der anderen Seite einen Akademiker. Sollen beide gleich bezahlt werden?«
»Sie wollen wissen, ob ein gewöhnlicher Akademiker das gleiche Gehalt haben soll wie ein fähiger Handwerker?«
»Nun lassen Sie doch bitte Ihre Spielchen! – Gleiches Gehalt oder nicht?«
»Selbstverständlich erhalten Menschen, die gleich viel leisten, auch das gleiche Einkommen.«
»Woher wissen Sie, wer wie viel leistet?«
»Die Rangstufe sagt es uns. Vergessen Sie nicht, dass sie stets relativ zur Tätigkeit zu sehen sind!«
»Die Umstellung wird manchem schwerfallen.«
»Für Kapitalisten fällt die Umstellung besonders hart aus, denn für ihr Kapital gibt es keine Verwendung mehr, denn nun müssen sie selbst arbeiten und etwas leisten.«
»Es wird doch wohl auch in der Leistungsgesellschaft noch Bedarf an Darlehen geben – oder? Sollen alle Darlehen zinslos sein? Dann hätte doch der Darlehensgeber einen Wertverlust.«
»Das muss keineswegs so sein.«
»Wie wollen Sie das verhindern?« Die Zornesröte war inzwischen aus seinem Gesicht gewichen und hatte wirklichem Interesse Platz gemacht.«
»Manchmal sind ungewöhnliche Maßnahmen genau das, was gefordert wird.«
»Dann lassen Sie mal hören!«
»Darlehensgeber und Darlehensnehmer einigen sich auf ein Grundnahrungsmittel und rechnen dann aus, wie viele mit dem Darlehen gekauft werden könnten, zum Beispiel Brote. – Will der Darlehensnehmer das Darlehen zurückzahlen, dann ist seine Schuld so hoch wie der Betrag, der erforderlich ist, um die geschuldeten Brote zurückzuzahlen.«
»In der Theorie mag die Leistungsgesellschaft möglich sein, aber in der Praxis wird das Geld fehlen.«
»Im Gegenteil, wir werden mehr Geld als heute haben.«
»Und woher wollen Sie es nehmen?«
»Mit einem Schlag sind alle Sozialhilfeempfänger weg. Was heute in die Taschen der Kapitalisten fließt, steht fortan der Gesellschaft zur Verfügung. Außerdem werden Renten und Pensionen nach den Eingangsgehältern bezahlt. Die Bestandsgarantie wie die der Beamten gibt es nicht mehr. Sie sehen, überall wird gespart. Dazu kommen noch die Mehreinnahmen durch gute und sehr gute Leistungen.«
»Ach, das sind doch alles nur unausgegorene Träume. Wer heute große oder sehr große Einkommen hat, wird es zu verhindern wissen, dass die Reichen und Superreichen ihr Geld verlieren. Falls Sie wirklich an das, was Sie verkünden, glauben, dann werden Sie eine große Enttäuschung erleben«

Er sagte noch: »Guten Tag!«, und verließ mich.


Viele Grüße
Wolf-Gero Bajohr


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4 Kommentare:

  1. Hallo, Wolf-Gero,

    die Reichen und Superreichen müssen jetzt schon mit Mord und Totschlag kämpfen, um ein immer Mehr erreichen zu können. Nach dem Zusammenbruch des Kapitalismus, der in Feuer, Blut und Tränen in den nächsten Jahrzehnten untergehen wird, haben unsere Träume eher eine Chance auf Verwirklichung.

    Herzl. Grüße
    Elke

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  2. Hallo Elke!
    Wie gern würde ich zu Deinem ersten Teil sagen können: Das stimmt nicht. -- Doch er stimmt.
    Dass der Kapitalismus in den nächsten Jahrzehnten in Feuer, Blut und Tränen untergehen wird, das halte auch ich für nicht unmöglich. Denn so schlau, dass sie ohne Feuer, Blut und Tränen abtreten, so schlau sind sie leider nicht.
    Herzliche Grüße
    Wolf-Gero

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  3. Hallo Wolf Gero, die Welt wird sich zur Leistungsgesellschaft entwickeln müssen, wenn sie nicht mit "Bauch und Bogen untergehen will,"ich denke dabei an die utopische Staatsverschuldung der westlichen Staaten. Allerdings befürchte ich, das diese Entwicklung noch eine ganze Weile auf sich warten lassen wird. Auch besteht die Möglichkeit, das die Raubtierkapitalisten, nur um ihre Ansprüche beibehalten zu können, auch vor Mord und Totschlag nicht zurückschrecken werden. Eine solche Entwicklung würde dann wieder mal sehr viele Opfer kosten, so wie das immer war und noch ist bei radikalen Wandlungen in der Gesellschaft.

    Liebe Grüße
    Ursula

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  4. Hallo Ursula!

    "die Welt wird sich zur Leistungsgesellschaft entwickeln müssen, wenn sie nicht ... untergehen will," Erfreulicherweise wird es der Mensch nicht schaffen, die Erde untergehen zu lassen. Allerdings wird die Erde untergehen, die für uns Menschen der Lebensraum ist. Das betrifft jedoch nicht nur die Kleinen, sondern auch die Reichen und Superreichen.

    Liebe Grüße
    Wolf-Gero

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