Teil 1 von 4
Wer vom Kapitalismus negativ betroffen wird, sieht ihn vielleicht etwas kritischer.
Auszug aus meinem Buch "Kapitalismus oder Leistungsgesellschaft"*), wird fortgesetzt
Wer vom Kapitalismus negativ betroffen wird, sieht ihn vielleicht etwas kritischer.
Auszug aus meinem Buch "Kapitalismus oder Leistungsgesellschaft"*), wird fortgesetzt
Wer trotz jahrzehntelanger Tätigkeit als Arbeitnehmer am Ende seines Berufslebens auf finanzielle Hilfe von der Gemeinschaft angewiesen ist, um zu überleben, der hält für gewöhnlich jede auf Leistung oder Kapital beruhende Gesellschaft für verantwortlich. Leistungsgesellschaft und Kapitalismus sind für ihn unterschiedslos die Feinde einer gerechteren Gesellschaft.
Mein Weg führt mich durch eine Anlage mit liebevoll gepflegten Kleingärten, und in einem dieser Gärten sehe ich Bruno, einen früheren Nachbarn. Kaum dass er mich erkannt hat, lächelt er mir freundlich zu und kommt mir bis zur Gartenpforte entgegen.
Wir begrüßen uns, und beiläufig frage ich ihn, wie es ihm gehe. Sein für gewöhnlich freundliches Gesicht ändert sich schlagartig, seine Augen blitzen zornig. Und so klingt auch seine Stimme, während er mir antwortet:
»Wie wird es mir schon gehen, nachdem mich einige von Habgier bewegte Kapitalisten in die Armut gedrängt haben, sodass ich nun wie ein arbeitsscheuer Mensch von Sozialhilfe leben muss? Einige nette Mitmenschen meinen sogar, mich unbedingt fragen zu müssen, wie es mir in der sozialen Hängematte gefällt.«
»Und – wie gefällt es dir dort, Bruno?«, versuche ich zu scherzen.
Für einen Augenblick scheint Bruno zu zögern, ob er über meine Frage lachen oder ob er lieber zornig bleiben soll. Der Zorn gewinnt, und Bruno fällt sein Urteil: »Das ist nicht lustig!«
Ich blicke in sein zorniges Gesicht und frage mich, wo sein Verständnis für andere in ähnlicher Lage war, als er noch in Lohn und Brot stand und deshalb auf Sozialhilfe nicht angewiesen war. – Seinen Zorn kann ich durchaus nachvollziehen, aber mein Mitgefühl schweigt. Schließlich weiß ich, dass Bruno ein Anhänger des Kapitalismus ist oder zumindest war und sogar die kleine machthungrige Partei zu wählen pflegte, die sich wie keine andere für den Ausbau des Kapitalismus einsetzt. – Offensichtlich wird Schmerz erst dann beachtet, wenn man ihn selbst fühlt.
»Du überraschst mich, denn deine negative Einstellung zum Kapitalismus verstehe ich im Augenblick nicht. Du warst doch stets ein Befürworter dieses Systems. – Wann hat sich deine Einstellung geändert?«, frage ich.
»Nachdem ich jahrzehntelang meine Pflicht für meinen Arbeitgeber getan hatte, entschied eine offenbar mächtige Gruppe von Investoren, die Produktion ins ferne Ausland zu verlagern und dafür das heimische Unternehmen zu schließen – schon saß ich auf der Straße.«
»Für dich als Anhänger einer Gesellschaft, in der dem Kapital eine größere Bedeutung beigemessen wird als den Menschen, sollte die Entlassung von Mitarbeitern doch ein ganz normaler Vorgang sein.«
»Das mag stimmen, aber die Pflicht des Arbeitgebers endet nicht mit der Entlassung eines Arbeitnehmers, sie reicht weiter und schließt die Hilfestellung bei der Suche nach einem angemessenen Arbeitsplatz ein. Denn solange das Arbeitsverhältnis bestand, verdiente der Arbeitgeber an seinem Angestellten. Einen Anteil davon sollte er nach der Entlassung seines Mitarbeiters darauf verwenden, ihm bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu helfen und sich so der Verantwortlichkeit zu stellen«, erläutert Bruno.
»Ich fürchte, Bruno, zumindest in diesem einen Punkt überschätzt du den Kapitalismus und die Charakterstärke des Arbeitgebers. Er entlässt die Arbeitnehmer nicht, um ihnen einen Gefallen zu erweisen, sondern deshalb, weil er sich davon einen finanziellen Vorteil verspricht. Zu dieser Einstellung passt es nicht, dass er sich um Arbeitsplätze für die Entlassenen kümmert. Handelte er trotzdem derart fürsorglich, ginge es natürlich zulasten der Ersparnis, die durch Entlassung von Mitarbeitern erreicht wurde. Das wäre kein sauberer Kapitalismus mehr, denn eine Portion Sozialismus hätte ihn kontaminiert.«
Während ich redlich versuche, Bruno über den wahren Charakter des Kapitalismus aufzuklären, kommt mir ein Gedanke: Ist es möglich, dass Bruno zu seiner bisher positiven Einschätzung des Kapitalismus allein deshalb fand, weil er ihm etwas zugeordnet hatte, was kein Bestandteil des Kapitalismus ist?
»Nun verrate mir doch einmal, Adam, greifst du den Kapitalismus jetzt an – oder verteidigst du ihn?«, möchte Bruno wissen.
»Ich beabsichtige weder das eine noch das andere. Mir geht es lediglich darum, einige Fakten zu sammeln.«
»Einige Fakten willst du sammeln? – Worüber willst du sie sammeln und wozu?«, erkundigt sich Bruno.
»Aber Bruno, jetzt erstaunst du mich aber sehr, denn der Zweck liegt doch auf der Hand.«
»Für mich leider nicht, Adam«, widerspricht Bruno.
»Bevor ich beginne, Vermutungen anzustellen, wie sich etwas verhalten wird, oder sogar ein Urteil fälle, bemühe ich mich, möglichst viel über das Objekt zu erfahren.«
»Das verstehe ich und finde es gut.«
»Danke!«
»Das Problem mit den entlassenen Arbeitnehmern ist noch ungelöst: Du bist augenscheinlich dagegen, dass der ehemalige Arbeitgeber in die Pflicht genommen wird, was wieder einmal bedeutet, dass Gewinne in private Hände wandern, während Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden«, fasst Bruno den gegenwärtigen Stand – wie er ihn einschätzt –zusammen.
»Es scheint sich ein Missverständnis eingeschlichen zu haben. Ich hätte nichts dagegen, Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen; wir wissen jedoch beide, dass das nicht zum Kapitalismus gehört.«
»Was geschieht dann aber mit den Entlassenen, wenn sich der bisherige Arbeitgeber für sie nicht verantwortlich zu fühlen braucht?«
»Die Befürworter des Kapitalismus und erst recht seine Nutznießer haben ein Credo: Der Markt regelt alles, sofern man ihn nur lässt.«
»Willst du damit etwa sagen, dass es eine kapitalistisch geprägte Gesellschaft hinnehmen muss, wenn eine starke Kraft völlig unkontrolliert die eigenen Ziele verfolgt – wie ein Staat im Staate?«
»Man könnte es durchaus so ausdrücken«, beantworte ich Brunos Frage.
»Du sagst es, wie mir jedenfalls scheint, ohne verärgert zu sein«, wundert sich Bruno.
»Im Augenblick bin ich in Gedanken bei dem, was mit den Entlassenen geschehen könnte, ohne deswegen gegen das Credo des Kapitalismus zu verstoßen.«
»Also gut, es geht jetzt um entlassene Mitarbeiter.«
»Wie es für die Entlassenen weitergehen könnte, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob die Wirtschaft noch über ausreichende Selbstheilungskräfte verfügt. Sie sollten aber vorhanden sein, sofern die kapitalistische Wirtschaft nicht allzu viele Eingriffe von inkompetenter Seite hinnehmen musste. Fest steht jedoch, dass nicht nur die Arbeitgeber ihren Beitrag zu leisten haben, für die Arbeitnehmer gilt es ebenfalls: Sie müssen einiges an Flexibilität zeigen.«
»Flexibilität? – Das ist totaler Unsinn, Adam! Willst du behaupten, ich sei nicht flexibel genug? Und dich hielt ich für meinen Freund!«, erbost sich Bruno, und vor Wut läuft sein Gesicht rot an.
»Jetzt tust du mir unrecht, Bruno, denn das Gegenteil trifft zu.«
Die Wut verschwindet sofort aus seinem Gesicht und gibt es frei für den Ausdruck höchsten Erstaunens.
»Wie meinst du das?«, will er wissen und sieht mich voller Erwartung an.
»Gerade weil du mir nicht unsympathisch bist, bemühe ich mich doch, deinen persönlichen Schicksalsschlag zu analysieren.«
»Ich sitze – bildlich gesprochen – auf der Straße! Was gibt es da noch zu analysieren?«
»Es ist oft hilfreich, wenn man weiß, ob das, was einem widerfährt, die Folge einer persönlichen Besonderheit ist oder lediglich ein einzelnes Symptom eines völlig üblichen Vorgangs.«
»Ein paar Kapitalgeber konnten ihren Hals nicht voll genug kriegen und zerschlugen deshalb ein florierendes Unternehmen. Daraufhin verlor ich meinen Arbeitsplatz und fand mich im Heer der Arbeitslosen wieder. – Das ist meine Analyse … jetzt wissen wir es! – Was soll nun daran hilfreich sein?«, tobt Bruno. Sein Gesicht wirkt nicht mehr erstaunt, es zeigt wieder pure Wut.
»Räumen wir jemandem die Möglichkeit ein, sich zu bereichern, ohne dass er dafür mit einer Strafverfolgung rechnen muss, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit die Gelegenheit nutzen.
Es gehört …«
Es gehört …«
Viele Grüße
Wolf-Gero Bajohr
Falls Sie sich etwas näher mit dem Thema befassen möchten, empfehle ich
mein Buch "Kapitalismus oder Leistungsgesellschaft"
Es ist vor allem über das Internet zu erwerben.
Buch.de Kapitalismus-oder-Leistungsgesellschaft
Amazon.de Kapitalismus-oder-Leistungsgesellschaft
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Danke Wolf Gero, das Du nun zum Thema einen Blog erstellt hast. Ich persönlich halte dieses Thema für außerordentlich wichtig, gerade weil sich angesichts der aktuellen Weltfinanzlage herausgestellt hat, das Kapitalismus ein ausuferndes Geschwür in der Geschichte der Menschheit ist. Soziale Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke und das schlechte Gewissen, falls vorhanden wird mit Spenden beruhigt. Bei Adam und Bruno geht es offensichtlich genau um diesen Gegensatz von kapitalistischen Denkmustern und scheinheiliger Mildtätigkeit. Selbstheilungskräfte aber können erst dann wirken, wenn ein weltweites Bewusstsein für Chancengleichheit durch Gleichwertigkeit gewachsen ist. Was nichts mit Gleichmacherei zu tun hat, sondern mit der Erkenntnis, das zum Ganzen immer auch seine Teile gehören und diesen kann man nicht willkürlich im Einzelnen einen höheren Wert zumessen. Beispiel: Ein Organismus ist ein Ganzes, wenn man ihm die Entscheidung überlassen müsste, zwischen seinen Teilen zu wählen, würde er sicher keines davon bevorzugen, weil er sich darüber im Klaren wäre, dass er alle seine Teile braucht. Was also gibt dem "Organismus" Menschheit das Recht, einige seiner Teile höher zu werten als das jeweils andere ? Die Frage Kapitalismus oder Leistungsgesellschaft ließe sich somit leicht beantworten. Auch wenn dieser Organismus Menschheit arrogant genug ist, sich einzubilden, auf einige seiner Teile verzichten zu können, obwohl der Reichtum dieser arroganten Gierlobby auf den Schultern der ihrer Meinung nach verzichtbaren Schwächeren über viele Jahrhunderte hinweg erworben wurde. Das Maul des kapitalistischen Raubtieres ist nichts weiter als das gierige Maul von nimmersatten Allesfressern. Gleichheit und Gerechtigkeit allen seinen Teilen gegenüber, muss der Organismus Menschheit scheinbar erst noch lernen, doch dem steht der Egoismus des kapitalistisch Stärkeren zur Zeit noch im Wege.
AntwortenLöschenLG
Ursula
Danke, Ursula, dass Du mit an Bord bist und dabei hilfst, den Kapitalisten ihr kapitalistisches Ende aufzuzeigen. Denn mit der Leistungsgesellschaft sind die Kapitalisten überflüssig, dann müssen sie selbst arbeiten.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Wolf-Gero
Ein schweres Unterfangen solange die Mitmenschen glauben, das die Welt, die ihnen das "Popcorn"-Fernsehen vorgaukelt, erstrebenswert ist. Erst, wenn es ihnen "an den Kragen" geht, dämmert es ein bisschen, wie falsch die Richtung ist, die eingeschlagen wurde. So, wie es dem armen Bruno offensichtlich ergangen ist.
AntwortenLöschenDanke für diese interessante Seite
und vlG
Elke
Danke, liebe Elke, dass Du dabei bist, wenn es darum geht, die Kapitalisten dazu zu bringen, selbst zu arbeiten, wenn nämlich ihr Kapital kein "Gehalt" mehr bezieht.
AntwortenLöschenWie Du aber richtig erkannt hast, sind die Kapitalisten die schwächeren Gegner, denn sie könnten leicht besiegt werden, wenn sich die einfachen Mitmenschen nicht mehr vom "Popcorn"-Fernsehen erklären ließen, wie die Welt funktioniert, wenn sie stattdessen ihren eigenen Kopf benutzen würden.
Viele liebe Grüße
Wolf-Gero