»Hallo Adam, was ist mit dir? Ich wundere mich über dein finsteres Gesicht. Erwartet habe ich ein Gesicht, das vor Freude strahlt.«
»Ach Bruno, ich habe es satt, ich gebe auf. Offensichtlich wollen sich die Leute lieber weiterhin betrügen lassen, als selbst aktiv werden. Vor die Wahl gestellt, sich für mehr Gerechtigkeit zu entscheiden oder für Fußball, würden sie den Fußball wählen.«
»Ich verstehe, dass du frustriert bist, trotzdem kannst du doch nicht ernsthaft an Aufgeben denken. Ausgerechnet jetzt …«
»Ausgerechnet jetzt …? Was ist denn geschehen, das mich daran hindern könnte, den Kampf für eine gerechtere Gesellschaft aufzugeben?«
»Die Leistungsgesellschaft hat gesiegt.«
»Wie kommst du nur darauf, dass die Leistungsgesellschaft gesiegt hätte?«
»Der Bundestag hat den Sieg der Leistungsgesellschaft offiziell festgestellt.«
»Trotzdem ist das leider kein Sieg der Leistungsgesellschaft – diesen Kampf hat sie verloren.«
»Jetzt drehe ich den Spieß einmal um und frage dich, Adam: Wie kommst du nur darauf, dass die Leistungsgesellschaft verloren hätte?«
»Was bedeutet Leistungsgesellschaft für dich, Bruno?«
»Wer viel leistet, darf sich über ein hohes Einkommen freuen; wer nur wenig leistet, erreicht auch nur ein niedriges Einkommen.«
»Du meinst also, den Punkt hätten wir erreicht.«
»Wenn der Bundestag etwas verkündet, gehe ich davon aus, dass es richtig ist.«
»Es kann ja sogar richtig sein, dass unsere Gesellschaft von nun an Leistungsgesellschaft genannt wird oder kommunistische Gesellschaft oder Weihnachtsmanngesellschaft. Sie können die Gesellschaft doch nennen, wie sie wollen. Nach kurzer Zeit wird ohnehin nur nackter Kapitalismus praktiziert.«
»Du treibst wieder einmal einen deiner Scherze mit mir, Adam. – Warst du es nicht, der stets und ständig behauptet hat, dass die Leistungsgesellschaft gerechter sei als alle anderen Gesellschaftsformen?«
»Das ist völlig richtig, Bruno! Und bei dieser Aussage bleibe ich auch.«
»Nun hast du mich aber vollständig verwirrt, was du wohl auch wolltest.«
»Natürlich wollte ich dich nicht verwirren, Bruno, ich wollte dich im Gegenteil aufklären.«
»Bis jetzt hast du mich aber nur verwirrt.«
»Es wird sich gleich ändern, wie ich annehme.«
»Nun bin ich aber gespannt!«
»Vor deiner Tür steht ein VW-Golf.«
»Das stimmt doch gar nicht, Adam, ich fahre doch …«
»Was du wirklich fährst, ist für dieses Beispiel völlig unerheblich.«
»Also gut, dann fahre ich eben Golf, warum eigentlich nicht?«
»Jetzt kommt ein Regierungsvertreter und nennt deinen Golf Rolls-Royce.«
»Das ist ja wunderbar! Einen Rolls-Royce wollte ich schon immer fahren. – Stellt man mir auch einen Fahrer?«
»Bruno, bitte, sei ein wenig ernsthaft!«
»Gut, Adam, ich habe verstanden. Dadurch, dass jemand eine Kartoffel Erbse nennt, wird sie nicht zur Erbse. Auch wenn eine kapitalistisch geprägte Gesellschaft Leistungsgesellschaft genannt wird, bleibt sie eine kapitalistisch geprägte Gesellschaft.«
»Wie lautet jetzt die Lösung?«
»Ich habe keine, Adam.«
»Es gibt auch keine, Bruno.«
»Also Adam, jetzt werde ich aber allmählich ärgerlich. Jahre lang wirbst du für die Leistungsgesellschaft. Aber plötzlich gibt es keine Lösung, die Leistungsgesellschaft einzuführen. Wie kann ich mich in diesem Fall nicht verschaukelt fühlen?«
»Betrachte die vorgegebene Reihenfolge und überdenke sie, dann wirst du erkennen, dass die Reihenfolge extrem wichtig ist.«
»Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals die Reihenfolge erwähnt hättest.«
»Vielleicht habe ich das Wort Reihenfolge tatsächlich nicht erwähnt, aber hingewiesen habe ich etliche Male darauf, was wann zu erledigen ist.«
»Obwohl ich die sechs Gebote gelernt habe, brauche ich jetzt Hilfe von dir, Adam.«
»Du hast die sechs Gebote wirklich gelernt, Bruno? Ich bin überrascht und hocherfreut, denn du hast mir etwas zurückgegeben, was mir für einen Augenblick verloren schien. Danke, Bruno!«
»Jetzt möchte ich natürlich wissen, was ich dir zurückgegeben habe.«
»Etwas sehr Wichtiges, Bruno, vielleicht sogar das Wichtigste.«
»Du machst es aber sehr spannend.«
»Hast du keine Vorstellung? – Gar keine?«
»Nein, Adam, nicht die geringste Ahnung, was du meinen könntest.«
»Die Hoffnung ist es Bruno. ›Sie stirbt als Letztes‹, sagt man.«
»Es gibt also noch Hoffnung, das ist gut.«
»Und ob es gut ist. Es ist sogar ausgezeichnet!«
»Woraus schöpfst du deine Hoffnung?«
»Wir gehen davon aus, dass diese Zeilen von Leuten gelesen werden, die ohnehin schon unserer Meinung sind oder die den Inhalt bereits kennen und keine Gefahr darin sehen, solange die Menschen, die es wirklich angeht, diese Zeilen nicht lesen.«
»Wo siehst du eine Quelle für deine Hoffnung?«
»Warum sollte es nicht eines Tages geschehen, dass einige diese Zeilen lesen, die zu beiden Bereichen Kontakt haben, die also unsere Zeilen lesen und auch zu den Ausgebooteten, zu den Armen Verbindungen haben.«
»So langsam beginne ich, zu verstehen. Wie geht es weiter?«
»Diese herzlich Willkommenen, die in zwei Bereichen zuhause sind, erzählen den Armen und Betrogenen über die wirkliche Leistungsgesellschaft. Sie berichten, dass dort jeder, der nicht durch Krankheit, Alter oder erfolgreiche Ausbildung gehindert ist, arbeiten muss, um Geld zu verdienen. Für Kapitalisten ist kein Platz mehr. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Gesellschaft, wo jeder eine angebotene Arbeit annehmen muss, sei sie auch noch so schlecht bezahlt und weit entfernt, ist die Leistungsgesellschaft bestrebt, nach Möglichkeit jedem einen Arbeitsplatz anzubieten, der ihm nach Neigung und Fähigkeit zukommt. Jeder Arbeitsplatz wird möglichst mit einer Kraft besetzt, die im Extremfall die Tätigkeiten fast wie ein Hobby betrachtet.«
»Das ist der positive Teil, Adam. Wo bleibt der negative Teil?«
»Es gibt zwar eine Vorbedingung, die erfüllt sein muss, aber sie ist nichts Negatives. Es sind die sechs Gebote. Erwähnt sei besonders das Gebot über die Gier.«
»Die Gier ist deshalb so schädlich, weil sie jede Gesellschaft in eine kapitalistische Gesellschaft umfunktioniert.«
»An dieser Stelle rufe ich alle Leser, die auch guten Kontakt zu den Kreisen der Armen haben, auf, ihren Beitrag für eine gerechtere Gesellschaft zu leisten.«
Freundlichen Gruß
Wolf-Gero Bajohr
Wolf-Gero Bajohr
Lieber Wolf-Gero,
AntwortenLöschenDie Menschen sind schon lange bereit dazu. Alle sind der Meinung, dass wir das Bankensystem nicht brauchen und dass wir im Notfall untereinander wieder Tauschhandel eingehen können oder beispielsweise mit Knöpfen zahlen. Denn das System der zockenden Banken ist die Grundursache allen Übels.
VlG Elke
Liebe Elke!
AntwortenLöschenBis zum Tauschhandel müssen wir ja gar nicht zurückkehren, es würde wohl reichen, wenn das Kapital mit hundert Prozent besteuert würde. Haben die Menschen kein Kapital mehr, können auch die Banken nicht mehr zocken. Wichtig ist wohl noch der Unterschied zwischen normalem Geld und Kapital. Kapital ist das Geld, mit dem spekuliert wird und das man notfalls verlieren kann, ohne seine Existenz zu gefährden.
Viele liebe Grüße
Wolf-Gero